Feuchtbiotope - der Patient
Drastischer Schwund der Feuchtbiotope
Im Bereich des Marktes Neunkirchen sind in den letzten 110 Jahren die Feuchtflächen von ursprünglich ca. 13,6 ha auf derzeit nur noch 2,3 ha zurückgegangen [ Aufstellung Feuchtflächen einst und heute unter Download Gewässerentwicklungskonzept bei "Unsere Aktionen"]. Damit ist auch ein Rückgang der Artenvielfalt zu verzeichnen, so dass z.B. Laubfrösche im Bachsystem von Brandbach und Ebersbach sowie deren Zuflüsse bereits nicht mehr heimisch sind, da diese ohne passendes Laichgewässer nur ca. 4 Jahre überleben können.
Über Anzeige-Indikatoren, d.h. bestimmte Tierarten, signalisiert ein Naturraum, ob er in einem intakten Zustand ist. Der starke Rückgang der Amphibien, wie z.B. des Laubfrosches oder der Knoblauchkröte (mittlerweile sind beide Arten in Bayern vom Aussterben bedroht und stehen auf der Roten Liste gefährdeter Arten), zeigt das aktuell sehr hohe Bedrohungspotential für die Natur im Brandbach-System (bestehend aus Brand- und Ebersbach mit deren Zuflüssen) an - direkt vor unserer Haustüre auf der Gemarkung Neunkirchen. Bei der letzten Überprüfung im Jahr 2009 wurden im Biotop Neuntagwerk noch Exemplare der Knoblauchkröte nachgewiesen, wobei nur drei Jahrzehnte früher hier sehr große Vorkommen heimisch waren.
Noch schlimmer sieht das für die Anzeigeart 'Laubfrosch' aus. Dort gibt es zwar noch Populationen im östlichen Gebiet der Gemarkung, geprägt durch das Obere Schwabachtal bzw. um Ermreuth; für das Ursprungsgebiet des Marktes rund um das Brandbach-System sieht das aber ganz anders aus: Hier ist der Laubfrosch vom Menschen bereits ausgerottet worden!
Nachstehend eine Karte aus dem betroffenen Bereich als Auszug aus Kartierungsaufzeichnungen im Jahr 1993, wie sie damals noch für den ganzen Landkreis Forchheim üblich waren. Heute ist die ausführende Naturschutzbehörde des Landratsamts personell so reduziert worden, dass selbst Begehungen vor Ort selten durchgeführt werden können.
Nachgewiesene Amphibienarten in Neunkirchen im Jahr 1993
Wir schreiben alles auf und tun nichts
IIm Jahr 1993 zeigt die Karte noch einen passablen Artenzustand, trotz reger Bautätigkeit in den Jahrzehnten zuvor, obwohl bis dahin Feuchtflächen, also Weiher, Teiche, Tümpel und deren Uferbereiche sowie Nasswiesen schon Stück für Stück immer weiter reduziert worden waren. So wurden ab ca. 1910 Brand- und Ebersbach begradigt, deren Uferbereiche drainiert und das einstige Grünland vielfach in Ackerland verwandelt. Auch wurden unter steigendem Kostendruck in der Landwirtschaft kleinste Nischen ausgeputzt und die Felder in der Regel bis unmittelbar an die Bachkronen herangeführt. Schutzstreifen zu den Bächen waren noch unbekannt, was dann bis heute so blieb. Wiesengründe mit murmelnden Bächen gab es nun weniger, jedoch verblieben die in die Kulturlandschaft eingelagerten Naturbereiche noch in einem intakten Zustand und die Lebensräume mit spezifischen Arten besetzt.
In den Jahren des Wirtschaftswunders der alten Bundesrepublik Deutschland verschwanden sowohl der Weihergürtel um den historischen Ortskern von Neunkirchen, der speisende Mühlbach und die im weiteren Umfeld liegenden großen Weiher, wie der Selauweiher und der Eggenweiher. Die Versiegelung, die im Jahr 2009 alleine in Bayern täglich noch einen Flächenverbrauch im Umfang von 22 Fußballfeldern zur Folge hat, begann und nahm ihren im Alltagsleben unbemerkten und noch immer andauernden Lauf.
Allmählich weicht die Unbekümmertheit dem Nachdenken
Auch wenn die Zerstörungen, oftmals gestützt auf Expertisen und ohne wirkliche Kenntnisnahme staatlicher Stellen, immer noch weitergehen, macht sich nun langsam die Erkenntnis breit, dass die Erde endlich ist und ganz allmählich beginnt das nötige Umdenken. Sogar die Bayerische Staatsregierung ruft inzwischen Kommunen zum Flächensparen auf, auch wenn sie mit eigenem Maßnahmenverzicht noch keineswegs vorbildlich vorangeht. Leider hat sie jedoch die mit dem Naturschutz betrauten Behörden, z.B. die Untere Naturschutzbehörde, personell derart eingeschränkt, dass diese ihre Aufgaben, z.B. hinsichtlich der Durchführung und Überwachung von Ersatz- und Ausgleichsmaßnahmen oder zum regelmäßigen Begehen der Landstriche, so gut wie nicht mehr erfüllen kann. Die Konsequenz ist, dass die Lebensgrundlage vieler Arten verloren geht, was vordergründig zunächst nicht sichtbar wird. Arten wie die Frösche bleiben dabei dann auf der Strecke und dass dies einen Verlust für uns alle bedeutet, wird nicht erkannt. Dazu kommt der Trugschluss, dass es nicht so schlimm ist, wenn die eine oder andere Art bei uns verschwindet.
Das Biotop Neuntagwerk (X6332-222) an der Erlanger Straße wurde auf diese Weise quasi durch Wegsehen dem Verfall preisgegeben, seine Fläche wurde in weiten Bereichen verfüllt - aber ein Gewässerstreifen von ca. 500 qm blieb erhalten. Damit blieb das Gesamtbiotop auch weiterhin Zufluchtsinsel, auch wenn hier die Laubfrösche verstummt sind.
Doch es gibt Hoffnung!
Das lt. Aussage der Unteren Naturschutzbehörde noch immer höchstwertigste Biotop beim Brand-Ebersbach-System auf Neunkirchner Gemarkung, dieses Überbleibsels mit seiner verblieben Feuchtfläche in der Lage einer künftigen Erschließungsstraße, soll, nachdem es in einem fast wundersamen Dornröschenschlaf die Zeiten überdauerte, nun bald aus seiner Umklammerungslage befreit werden. Damit hier nachhaltige Wege beschritten werden, veranstaltete die Ortsgruppe im Mai 2010 vor Ort eine Aktion am Neuntagwerk.
Die Entwicklungen im Jahr 2010 machen Hoffnung, dass sich hier ein Wandel ergeben könnte, wie von Herrn Bürgermeister Richter in einem Orientierungsgespräch im März dieses Jahres angeklungen.
Auch bundesweit ist ein Umdenken, ein Wind des Wandels, zu spüren, der aufhorchen lässt, auch wenn momentan die Finanzmittel in den eingetretenen Bahnen gebunden bleiben und das kommerzielle Umdenken noch auf sich warten lässt; hierzu auch:
Rede der Bundeskanzlerin zum Auftakt des Internationalen Jahres der Biodiversität 2010
Wir stecken den Kopf nicht in den Sand
Lesen Sie unter der Folgeseite Unsere Aktivitäten und Aktionen, was sich die BN-Ortsgruppe Neunkirchen aus dieser Situation heraus im Rahmen der Idee, neue Feuchtflächen aufzubauen, als kurzfristig zu erreichende Ziele gesetzt hat, und welche Status es hierzu gibt.
Falls Sie mehr zu den Entwicklungen der Vergangenheit wissen oder sich aktiv am Wandel beteiligen wollen, kontaktieren Sie uns oder kommen Sie zu unseren Ortsgruppentreffen.